Besuch der Zeitzeugin Eva Weyl am MSM

„Keiner von uns ist verantwortlich für die Vergangenheit. Aber wir haben die Verantwortung dieses Wissen zu verwenden!“, so Eva Weyl während ihres Vortrags am MSM-Gymnasium am 9. November 2024. Während ihres Besuches erzählt sie von ihrer Zeit im Lager Westerbork. Damit will sie die Menschen, in diesem Fall uns Schülerinnen und Schüler, davor warnen, was geschehen kann, wenn die Macht auf eine Person konzentriert ist oder die falschen Leute an die Macht kommen.

Eva Weyl wurde 1935 in Arnheim in den Niederlanden geboren und lebte dort glücklich mit ihren Eltern zusammen. Nach der Reichsprogromnacht am 9. November 1938 ziehen auch ihre Großväter dazu. Doch Ende Januar 1939 ändert sich schlagartig alles: sie wird zusammen mit ihren Eltern in das KZ-Durchgangslager Westerbork deportiert. Bei ihrer Ankunft im Lager erhielt sie Limonade, während den Erwachsenen Kaffee und Tee angeboten wurde. Im Lager besuchte Frau Weyl gemeinsam mit anderen Kindern die Schule, spielte mit ihnen und fand schnell Freunde. Währenddessen wurden ihre Eltern zur Arbeit im Lager herangezogen. An den Sonntagen hatten die Häftlinge frei und konnten Zeit mit anderen Familien verbringen. Diese Umstände schufen eine künstliche Scheinwelt, die den Eindruck eines „besseren“ Lebens im Lager vermittelte. Doch auch in dieser Scheinwelt passierten schlimme Dinge: wöchentlich gab es 2-4 Selbstmorde und die Häftlinge, die einen sogenannten Arbeitsauftrag außerhalb des Lagers erhielten, kehrten nicht wieder zurück. Sie kamen stattdessen mit dem nächsten Zug in ein Vernichtungslager. Den Kindern des Lagers Westerbork wurde alle dies verschwiegen.

„Der Holocaust begann nicht mit Auschwitz, sondern mit Worten und mit Schweigen.“ (Eva Weyl)

Der zweite Weltkrieg ist wegen seiner Grausamkeit unvergleichbar mit anderen Kriegen. Er gilt als Vernichtungskrieg, da Hitler und seine Anhänger während sie aktiv Krieg führten, zwei Jahre lang planten und experimentierten und Mordfabriken erschufen, um die Menschen „loszuwerden“, die sie für minderwertig hielten. Menschen, die beispielsweise Juden waren. Menschen wie die Familie von Eva Weyl. Und das ist der springende Punkt: Es sind Menschen. Menschen wie wir. Die jüdische Religion wurde willkürlich ausgewählt und die Menschen, die ihr angehörten, ohne Grund verfolgt, gejagt und umgebracht. Frau Weyl erteilt uns die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Sie sagt, wir sollen unseren Gefühlen folgen und wenn wir das Gefühl bekommen: „Da stimmt was nicht.“, dann sollen wir diesem Gefühl nachgehen. Die Menschen damals hatten keine handfesten Indizien dafür, dass aus Hitlers Regierung so etwas Grausames entstehen wird. Aber es gibt genug Überlebende aus der Zeit, die berichten, ein ungutes Gefühl gehabt zu haben. Deshalb sollten wir auch niemals vergessen, dass die Demokratie essenziell für uns ist, denn wie Frau Weyl in ihrem Vortrag sagte: „Freiheit. Man weiß nicht wie wichtig sie ist, bis man sie nicht mehr hat.“

Am 12.April 1945 befreite die kanadische Armee die rund 900 Gefangenen aus Westerbork, darunter auch Frau Weyl und ihre Eltern. Die Großväter, die elf Monate nach ihrer Ankunft in Westerbork nach Theresienstadt verlagert wurden, überlebten ebenfalls. Die Hälfte der Familie Weyl verlor ihr Leben durch den Holocaust. Insgesamt waren in der Zeit von 1942 bis 1944 mehr als 102.000 Menschen im Lager Westerbork inhaftiert. Fast alle wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Frau Weyl lebte nach dem Ende des NS-Regimes in den USA und in der Schweiz. Seit 1950 ist sie niederländische Staatsbürgerin. Seitdem sie sich genauer mit den Geschehnissen in ihrer Vergangenheit beschäftigt, hat sie viele neue Menschen kennengelernt. Unter anderem Anke Winter, die Enkelin des Kommandanten von Westerbork, mit der sie gut befreundet ist und auch schon einige Vorträge hielt. Abschließend möchte ich noch ein letztes Zitat von Frau Weyl anbringen: „Von außen sind wir verschieden, von innen alle gleich. Wir sind alle Menschen.“

Charlotte Kessen (10c)