Erinnerungskultur wird am MSM großgeschrieben. Die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz sowie Lesungen und Vorträge zur Thematik des Nationalsozialismus sind Aushängeschilder der Schule. In diesem Rahmen besuchte die Zeitzeugin Eva Weyl am 15.05. erneut das MSM-Gymnasium, um ihre Überlebensgeschichte zu erzählen. Frau Weyl ist Jüdin, die zur Zeit des Nationalsozialismus mit ihren Eltern in die Niederlande flieht, um dort der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Doch der Plan geht nicht auf und sie kommt mit ihrer Familie in das Konzentrationslager Westerbork. Eindrücklich schildert sie den Lageralltag dieses „besonderen“ Lagers, da es anders geführt wurde als die sonstigen Konzentrationslager.
Westerbork fungierte als Durchgangslager, von dort aus wurden die Jüdinnen und Juden in den Osten deportiert. Um Aufstände im Lager zu verhindern, sorgte der Kommandant Gemmeker dafür, dass dort ein möglichst normaler Alltag stattfand. So gab es in der Regel genug zu essen, geregelte Arbeits- und Pausenzeiten sowie die Möglichkeit, Freizeitaktivitäten nachzugehen. Eva Weyl bezeichnet diese Art, das Lager zu führen, als trügerische Scheinwelt. Besonders perfide gewesen sei z.B., dass Kranke von medizinischem Fachpersonal behandelt und gesund gepflegt wurden, nur um anschließend in Vernichtungslager geschickt zu werden. Eva Weyl macht an vielen Beispielen deutlich, dass Gemmeker ein Täter ist, der den Tod Tausender zu verantworten hat, auch wenn das Lagerleben augenscheinlich erträglich war. Auch den Wert der Freiheit macht sie deutlich, da man diesen besonders dann erkenne, wenn sie einem genommen werde.
An vielen Stellen, so betont Eva Weyl immer wieder, hätten sie und ihre Eltern Glück gehabt. Mehrfach ist sie der Deportation durch unfassbar glückliche Zufälle entkommen und ihre Eltern und sie haben überlebt. Lange Zeit habe sie sich nicht mit ihrem Schicksal auseinandergesetzt, erzählt sie, habe aber irgendwann ihre Berufung erkannt, mit ihrem Vortragstalent an Schulen zu gehen und als Zeitzeugin aufzutreten. Sie betont mehrfach, dass sie keinen Groll gegen die nachkommenden Generationen der Deutschen hege und vielmehr als Brückenbauerin zwischen den beiden Gruppen fungieren möchte. Besonders beeindruckend ist, dass sie aus dieser Haltung heraus gemeinsame Vorträge mit einer Enkelin des Kommandanten Gemmeker gehalten hat.
Dank ihres lebhaften und persönlichen Vortragsstils und ihrer bewegenden und spannenden Geschichte hörten die Schülerinnen und Schüler der Q1 gebannt zu und sie durften am Ende des Vortrags offengebliebene Fragen stellen. In diesem Jahr durften wir auch ihren Vortrag in Ton und Bild aufnehmen, um ihn auch zukünftigen Schüler:innengenerationen zugänglich zu machen.
Im Anschluss an ihren Vortrag besuchte Frau Weyl die Gedenkausstellung der Jahrgangsstufe Q1. Diese hatte während und nach der Gedenkstättenfahrt ihre Eindrücke künstlerisch in Bild, Text und Musikstücken verarbeitet und im SLZ präsentiert. Frau Weyl zeigte sich begeistert und tief beeindruckt von den Exponaten und betonte ihre Zuversicht hinsichtlich eines friedlichen Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Religion und Herkunft in Deutschland, wenn Schule so intensiv daran arbeite, dieses Ziel zu verwirklichen.
Miriam Lorenz