Als Ersatz für die Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz, die aufgrund der Corona-Lage nicht wie geplant stattfinden konnte, haben die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe Q1 drei intensive Projekttage Anfang März verlebt. Diese haben die Spuren des Nationalsozialismus und Holocaust in Krefeld und der näheren Umgebung in den Blick genommen.
Am Montag, den 07.03., erkundeten die Schülerinnen und Schüler vormittags in Kleingruppen unter der Überschrift „Manche waren Nachbarn“ Orte in der Krefelder Innenstadt, die Zeugnis über die Ereignisse der Jahre 1933-1945 ablegen und entwickelten daraus informative Präsentationen, die am Dienstagmorgen den anderen Teilnehmenden vorgestellt wurden. Der von der Villa Merländer konzipierte Workshop führte sie zum Standort der ehemaligen Synagoge, den Stolpersteinen der Familie Zander, dem Sinn-Haus, dem Hansa-Haus und dem ehemaligen Bunker in der Nähe des Hauptbahnhofs. Der frühe Nachmittag stand im Zeichen der Erinnerung an das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. In einem durch vielen Anekdoten und Erinnerungen an persönliche Gespräche mit Überlebenden sehr anschaulichen Vortrag vermittelte der Autor Reiner Engelmann den Schülerinnen und Schülern in der evangelischen Alten Kirche einen umfassenden Eindruck von den Schrecken dieses Ortes.
Im Anschluss an die am Vortag erarbeiteten Präsentationen begab sich die gesamte Stufe am Dienstag, den 08.03., zum Kresch-Theater. Hier sahen sie zunächst einen beeindruckenden Monolog der Schauspielerin XYZ in der Rolle der Sophie Scholl und die Videoaufzeichnung einer nicht minder eindrücklichen Inszenierung Anna Tervoorts, einer Krefelderin, die eine jüdische Frau in ihrem Haus versteckt hatte und dafür in Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet wurde. Anschließend gab es die Gelegenheit zu einer Diskussion mit der Leitung des Theaters (Isolde Wabra und Helmut Wenderoth), der Schauspielern Christina Wouters, Sandra Franz von der Villa Merländer, Frau Vetter sowie Thomas Gabelin, der in Theresienstadt geboren worden war und den Schülerinnen und Schüler später unterstützt durch die Projektion vieler Bild- und Sachquellen von der Geschichte seiner Familie berichtete. Auch diese Begegnung hatte einen unmittelbaren Bezug zu unserer Stadt – Gabelins Familie stammte aus Krefeld.
Pünktlich um acht Uhr starteten am Mittwoch, den 09.03., drei Busse in Richtung Eifel. Ziel der ganztägigen Exkursion, die den Abschluss der Projekttage bildete, war die NS-Ordensburg Vogelsang. Diese war errichtet worden, um Parteifunktionäre der NSDAP auszubilden und ist somit ein „Täterort“. Die Teilnehmenden erhielten hier die Möglichkeit, das bereits in der beachtlichen Architektur des Ortes angelegte Selbst- und Menschenbild der NS-Ideologie in Workshops zu untersuchen, die Mechanismen dieser Ideologie mit dem noch heute existierenden Rassismus in Verbindung zu setzen und dabei das weitläufige Gelände der Ordensburg zu erkunden. Dabei drängte sich immer wieder die Frage nach dem Umgang mit solchen Orten auf – beispielsweise im Schwimmbad der Anlage, das heute mit einem großflächigen, die NS-Ideologie transportierenden Mosaik ausgestattet für den Schwimmunterricht der örtlichen Grundschulen genutzt wird. Gegen 15.15 Uhr wurde die Rückfahrt angetreten.
Auch wenn die Orte, die die Jahrgangsstufe Q1 in diesen drei Tagen kennengelernt hat, keinen vergleichbaren Ersatz für die Auseinandersetzung mit dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz bieten konnten, hat das Programm den Schülerinnen und Schüler viele neue Perspektiven eröffnet und Denkanstöße vermittelt, sodass die Projekttage insgesamt ein sehr gelungenes Alternativprogramm zur entfallenen Fahrt waren.
Unser besonderer Dank gilt den außerschulischen Kooperationspartnern (v.a. der Villa Merländer und dem Kresch-Theater) sowie Frau Vetter, die die Planung dieser Tage federführend übernommen hat.
Jutta Billen